droht eine polarisierung der öffentlichen debatte wie in den usa?
kommentar in der tagesspiegel-rubrik '3 auf 1'.
Aufgrund unseres Mehrparteiensystems, das durch wechselnde Regierungskoalitionen in Zusammenarbeit schult, sind wir von affektiver Polarisierung weniger betroffen als Zwei-Parteien-Systeme wie die USA. Aber auch bei uns werden bei einzelnen Konfliktthemen immer stärker Andersdenkende als gänzlich unwissend oder moralisch verwerflich abgewertet: bei der Frage einer Brandmauer gegenüber der AfD, dem Umgang mit dem Klimawandel oder Migration, dem Krieg in der Ukraine oder in Gaza.
Die Ursachen dafür sind vielfältig: Die Kommunikation zu politischen Themen über soziale Medien ist im dortigen Wettkampf um Aufmerksamkeit häufig emotional aufgeladen. Politische Netzwerke sind häufig loser als früher, als viele Menschen in Parteien oder zivilgesellschaftlichen Organisationen Mitglied waren. Politische Akteure spitzen zu, um Anhänger:innen zu gewinnen und zu halten.
Hier hilft Empathie, also die Fähigkeit, sich in andere Personen einzufühlen und deren Perspektive zu übernehmen. Auch intellektuelle Bescheidenheit kann affektive Polarisierung mindern. Sprich das Bewusstsein darüber, dass wir nicht alles wissen, sondern dass es Fakten und Perspektiven geben mag, die eine andere politische Haltung plausibel machen.
Dieser Kommentar wurde zuerst im Tagesspiegel veröffentlicht. Er ist Teil der Rubrik “3 auf 1”, in der sich wechselnde Expert:innen zu aktuellen Themen äußern.