über die große, wahre liebe.
aus dem psychologie heute-blog 'der psychologische blick'.
In der Liebe sollten Emotionen die Hauptrolle spielen, doch so mancher resigniert bei diesem scheinbar aussichtslosen Unterfangen. Es ist Zeit für gezieltes Verlieben.
Es ist die berühmteste Liebesgeschichte, die sich dort auf der Bühne abspielte. Mit magischen Momenten im Kerzenschein, wildem Blutvergießen beim Kampf zwischen den beiden verfeindeten Familien und einer quietschenden Hebebühne als Balkonersatz. Romeo und Julia lieben und leiden momentan im Deutschen Theater und ich bin begeistert (besonders von Natalia Belitski als Mutter Capulet und Tybalt). Meine Begleitung dagegen vermisst die großen Gefühle: War sie das dort auf der Bühne, die große, wahre Liebe? Oder ist das lediglich ein tragisch endender Gefühldusel jugendlichen Überschwangs?
Ob ich mich an die Aquarium-Szene aus der Luhrmann-Verfilmung erinnere, werde ich gefragt. Schon fast 20 Jahre ist es her, dass Leonardo DiCaprio und Claire Danes dort ein Knistern erzeugten, das einem die große, wahre Liebe nahe bringt. Na klar, ich erinnere mich. Ist es das, was wir brauchen, ein riesiges Gefühls-Feuerwerk? Zumindest Michael Nast tut das, sucht in Berlin seine Traumfrau und schreibt dabei mit. So entsteht eine herrliche Sammlung von Anekdoten, die einem die Lachtränen in die Augen treiben und gleichzeitig verdeutlichen, wie aussichtslos dieses romantische Unterfangen ist.
Das Problem ist nicht neu, gerade in Berlin, wo es vor Singles nur so wimmelt. Und dass die Anzahl an Singles hier chronisch hoch ist, verdeutlich umso mehr, dass viele suchende Einzelne anscheinend nicht ausreichen, um viele verliebte Paare zu generieren. Nicola Erdmann von der Zeitung Die Welt empfiehlt deshalb, sich zur wahren Liebe zu zwingen und propagiert die Vernunftehe. Auf Emotionen wird in diesem Fall bewusst verzichtet, denn hier zählt nur der nüchterne Kopf, nicht das unbeständige Bauchgefühl.
„So ein Quatsch… #fürbauchkribbeln“ schreibe ich daraufhin meinem guten Freund Christian, der auch bei der Weltarbeitet. „Habe der Autorin heute persönlich meine Zustimmung ausgesprochen #wirdsowiesonix“ kommt von ihm zurück. Die Resignation trägt anscheinend Früchte und als bekennende Gegnerin der puren Vernunft finde ich das besorgniserregend. Ideal wäre, beides zu verbinden, also große Emotionen auf vernünftige Weise zu entfachen. So ein gezieltes Verlieben funktioniert, glaubt Mandy Len Catron, die mit ihrem Artikel in der New York Times damit kürzlich einigen Wirbel auslöste.
Die Idee dafür kommt aus einem psychologischen Labor: Arthur Aron und Kollegen entwickelten eine Methode, um für Experimente gezielt ein Gefühl von Nähe zwischen zwei Unbekannten hervorzurufen. Wenige Monate später heirateten zwei ihrer Probanden und ihr Vorgehen bewährte sich nicht nur in diesem Einzelfall. Sich in einem 45-minütigen Gespräch zu 36 vorgegebenen Fragen auszutauschen erzeugte bei den Probanden ein Gefühl von Nähe, das sonst erst nach langer Zeit, wenn überhaupt, erreicht wird. Und zwar unabhängig davon, ob die beiden Unbekannten in wichtigen, grundlegenden Fragen übereinstimmten.
Self-disclosure ist hier der Schlüssel zur Nähe und meint die Bereitschaft, Persönliches über sich preiszugeben. Sie gilt als Grundlage der Intimität und eignet sich damit hervorragend zum Beziehungsaufbau. Im Gegensatz zur seriellen Abfertigung beim Speed-Dating macht diese Form des Gesprächs anscheinend sogar Spaß. Vielleicht sollte ich Michael Nast mal davon berichten, eine Art Austausch unter Kollegen, schließlich veröffentlichte er sein Buch ‚Ist das Liebe oder kann das weg?‚ im gleichen Monat wie ich meines zur Suche nach dem kochenden Betthasen; das erzeugt ja schon mal eine gewisse Nähe, da sollte man füreinander da sein.
Zum Weiterlesen
- Aron, A., Melinat, E., Aron, E. N., Vallone, R. D., & Bator, R. J. (1997). The experimental generation of interpersonal closeness: A procedure and some preliminary findings. Personality and Social Psychology Bulletin, 23, 363-377.
- Nast, M. (2014). Ist das Liebe oder kann das weg? Vom sonderbaren Verhalten geschlechtsreifer Großstädter. Berlin: Ullstein.
- Specht, J. (2014). Suche kochenden Betthasen: Was wir aus wissenschaftlichen Studien für die Liebe lernen können. Reinbek: Rowohlt Verlag.
Soundtrack zum Blog-Post
- wenn’s für die wahre Liebe nicht reicht: Ich liebe dich nur wenn du weinst von Billy Rückwärts.
Dieser Text wurde zuerst im Psychologie Heute-Blog veröffentlicht. Er ist Teil der Reihe “Der psychologische Blick”, in der zwischen Juli 2014 und Dezember 2017 vier bis sechs Kolumnist:innen - und ich war eine davon - über aktuelle Themen aus Alltag, Gesellschaft und Wissenschaft schrieben.